Wenn sich ein Pflegekind bei uns eingelebt hat, gibt es meist ein paar organisatorische Dinge zu klären. Wann war die letzte U-Untersuchung beim Arzt? Wo befindet sich der bisherige Kindergarten oder die Schule? Gibt es Sport- oder Musikvereine, die das Kind bislang besucht hat? Auch Weihnachten und Geburtstage wollen geplant werden.
In der Bereitschaftspflege kommen die Kinder meist wenige Stunden nach dem Anruf vom Jugendamt. Bis sich das Pflegekind eingewöhnt hat, vergehen oft ein paar Tage. Wir lernen uns kennen, machen Ausflüge, vermitteln Regeln und machen die ersten Bilder fürs Fotoalbum. Und dann folgt der Alltag in der Pflegefamilie mit Kindergarten und Co., als ob das Kind schon immer bei uns gelebt hätte.
Kindergarten und Schule: Vertrautes erhalten
Mir ist es wichtig, Vertrautes zu erhalten. Wenn es irgendwie möglich ist (nicht immer kommt das Kind aus der Nähe), bringe ich das Pflegekind jeden Tag zum Kindergarten oder in die Schule. Auch wenn das heißt, eine Stunde Fahrzeit auf sich zu nehmen, um dorthin zu gelangen. Je nach Entfernung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Rad oder zu Fuß – wir haben ja aus ökologischen Gründen kein Auto. Unserer Erfahrung nach lieben Kinder Bahnfahren – dabei gibt es so viel zu entdecken. Im Kindergarten oder in der Schule warten Freunde und Bezugspersonen. In der Regel gehen die Pflegekinder gern dorthin. Verständlich, denn welche Mutter oder welcher Vater kann unter der Woche ein so abwechslungsreiches Vormittagsprogramm zusammenstellen? Übrigens: Bei Pflegekindern werden die Kosten für den Betreuungsplatz vom Amt übernommen.
Den Platz im Kindergarten sichern
Es kam auch schon vor, dass die leibliche Mutter monatelang versäumt hat, die Kindergartenbeiträge zu bezahlen und der Kindergarten daraufhin die Kündigung ausgesprochen hat. Obwohl das nicht die Aufgabe von Pflegeeltern ist, habe ich das Bildungsamt eingeschaltet. Gemeinsam mit allen Parteien konnte daraufhin eine Lösung gefunden und der Kindergartenplatz erhalten bleiben. Zum Wohle des Kindes. Denn wenn gerade Alleinerziehende im Alltag häufig überfordert sind, wird es nicht leichter, wenn sie fortan – nach der Rückführung des Kindes – auch noch ihren Sprössling ununterbrochen betreuen müssen. Damit das Kind nicht erneut in eine Pflegefamilie kommt, arbeite ich gern präventiv und versuche, Stress und Druck auf Seiten der leiblichen Eltern weitestgehend zu reduzieren.
Auf der Suche nach einem geeigneten Kindergarten
Hat das Kind noch keinen Kindergartenplatz und ist absehbar, dass es längere Zeit bei uns in der Pflegefamilie bleibt, mache ich mich auf die Suche nach einem freien Kindergartenplatz. Was bei Wartezeiten von 6 bis 12 Monaten gar nicht so einfach ist. Gemeinsam mit dem Bildungsamt und Jugendamt wird dann nach einer baldigen Lösung gesucht, die Kitas abgeklappert und Bewerbungsformulare ausgefüllt – bis wir eine Zusage für das Pflegekind erhalten.
Arztbesuche wahrnehmen
Ob eine U-Untersuchung beim Kinderarzt ansteht oder das Pflegekind schon seit Jahren nicht mehr beim Zahnarzt war: Pflegemama Silke kümmert sich! Entweder gehe ich zu den bisherigen Ärzten der Kinder oder zu den Ärzten bei mir vor Ort. Wichtig dabei: Das U-Heft, der Impfpass und die Krankenversichertenkarte wurden den Pflegeeltern mit dem Kind überreicht. Mein Zahnarzt kennt das schon, dass ich immer wieder mit neuen Patienten vorbeikomme. Manche Fragen dort sind gar nicht so leicht zu beantworten. Zum Beispiel ob das Kind Angst vor der Untersuchung hat oder schon einmal geröntgt wurde. Wenn die Eltern nicht ans Telefon gehen, reiche ich die Informationen nach. Kind müsste man sein – beim Kinderarzt gibt es Gummibärchen, beim Zahnarzt ein Spielzeug geschenkt. Ich habe schon lange nichts mehr vom Arzt bekommen – außer die Rechnung.
Musik- und Sportvereine
Wenn ein Kind ein Instrument spielt oder einen Sportverein besucht, schaue ich wie beim Kindergarten, ob wir diese Termine weiterhin wahrnehmen können. Andernfalls suche ich nach einer Alternative. Von Handball über Kinderturnen bis hin zu Ballett oder Musikverein – das Angebot vor Ort ist groß. Und wenn es klappt, findet sich sogar ein freies Plätzchen irgendwo. Auch diese Kosten werden meist vom Amt übernommen. Sportliche Erfolge oder das Gemeinschaftsgefühl beim Fußball („Wir sind das Team!“) sind unbezahlbar und stärken das Selbstbewusstsein des Pflegekindes ungemein.
Geburtstage und andere Feiern
Fällt der Geburtstag eines Pflegekindes in den Zeitraum, in dem es bei uns in der Pflegefamilie lebt, gilt es, diesen auszurichten. Das betrifft auch andere Feierlichkeiten wie Weihnachten, Einschulung und Co. In der Regel ist es ein großes Anliegen der meisten Eltern, bei den „großen“ Ereignissen dabei zu sein. Verständlich. Gerade wenn die leiblichen Eltern getrennt sind (was häufig der Fall ist), gibt es hier viel Organisatorisches zu klären. Zum Beispiel wer das Kind zum Martinsumzug des Kindergartens begleitet. Gemeinsam mit dem Jugendamt versuchen wir im Vorfeld mit den leiblichen Eltern eine Lösung zu finden, mit der alle Parteien gut leben können. Heiligabend bei den Pflegeeltern, am 1. Weihnachtstag bei der Mama und am 2. Weihnachtstag beim Papa – so könnte eine mögliche Lösung aussehen. Den Kindern „verkaufe“ ich das immer positiv. Wer kann schon dreimal im Jahr Geburtstag oder Weihnachten feiern?
Ein Beispiel: Das Pflegekind feiert Geburtstag
Am Geburtstag weckten wir das Pflegekind schon recht früh, indem wir Geburtstagslieder singend ins Kinderzimmer kamen. Der leibliche Vater hatte uns vorab Geschenke übermittelt, die wurden nach dem Aufstehen zuerst ausgepackt. Dann wurden die Kerzen ausgepustet und zur Feier des Tages gab es Kuchen zum Frühstück. Ich selbst bin ebenso aufgewachsen – und das fand ich ganz großartig: Kerzen auspusten, Geschenke auspacken und dann Kuchen futtern (den gab es sonst nie zum Frühstück). Anschließend ging es wie jeden Tag zum Kindergarten. Dort übergab ich den Geburtstagskuchen mit einem großen Obstteller, sodass gleich weitergefeiert werden konnte. Mit der leiblichen Mutter wurde vereinbart (und der Kindergarten darüber informiert), dass sie das Kind vom Kindergarten abholen würde, um den Tag mit ihm zu gestalten. Wieder zurück bei uns, konnte das Kind noch mit seinen neu geschenkten Spielsachen spielen, bis es dann ins Bett ging. Am folgenden Wochenende feierte der leibliche Vater dann gemeinsam mit seinem Kind den Geburtstag nach. Je nach Alter des Kindes kann zwischendrin noch ein Kindergeburtstag organisiert werden.
Umgangskontakt mit den leiblichen Eltern
Wie im Geburtstags-Beispiel bereits angedeutet, haben die leiblichen Eltern meist ein Recht darauf, ihre Kinder regelmäßig zu sehen. Daher ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Pflegeeltern und leiblichen Eltern wichtig. Ist vorgesehen, dass die Kinder zurück zu den Eltern kommen, findet der Umgangskontakt häufiger statt als wenn die Pflegekinder dauerhaft in der Pflegefamilie bleiben. Gerade in der Bereitschaftspflege ist es üblich, dass der leibliche Elternteil, bei dem das Kind vorher gewohnt hat, das Kind bis zu einmal pro Woche sehen kann. Am Anfang finden solche Treffen immer begleitet durch das Jugendamt statt – in speziellen Spielzimmern vom Amt. Anschließend übernehmen die Pflegeeltern oft den begleiteten Umgang, bis das Jugendamt grünes Licht gibt und die leiblichen Eltern ihre Kinder unbegleitet sehen können. Der leibliche Elternteil holt dann beispielsweise das Kind aus dem Kindergarten ab. Anfangs geht es um wenige Stunden bis daraus ein ganzer Tag wird und irgendwann kommt dann gegebenenfalls auch das Übernachten dazu. Alles Schritt für Schritt, wenn es gut klappt. Ansonsten geht man beispielsweise wieder zurück auf Besuchskontakte ohne Übernachtung. Das kommt ganz auf den jeweiligen Fall und die Vorgeschichte an. Bis das Kind dann entweder wieder dauerhaft bei seinen leiblichen Eltern wohnen kann oder die Entscheidung getroffen wird, eine dauerhafte Unterbringung bei einer Pflegefamilie oder im Heim anzustreben.