Pflegeeltern werden – Kindern ein Zuhause geben

Der Anfang ist denkbar einfach: Wer sich für das Thema Pflegekind/Pflegeeltern werden interessiert, meldet sich beim örtlichen Jugendamt. Es folgen Gespräche und gegebenenfalls ein Vorbereitungsseminar, um bestmöglich auf die Aufgabe vorbereitet zu sein. Und dann kann es losgehen …

Wir wollten Pflegeeltern werden, also nahmen wir zunächst Kontakt zum Jugendamt auf. Die Vorbereitung dauerte etwa ein halbes Jahr. Einmal im Monat hatten wir einen Termin mit unserer zuständigen Sachbearbeiterin beim Jugendamt. Dabei ging es um unsere Motivation, ein Pflegekind bei uns aufzunehmen, und darum, wie wir selbst aufgewachsen sind (Biografie). Dazu wurden wir mit Informationen rund um das Thema Pflegeeltern/Pflegekind versorgt. Aber auch ein Informationsabend der Volkshochschule zum Thema „Pflegeeltern werden“ war sehr hilfreich. Anhand von Fallbeispielen erfuhren wir, aus welchen Familien die Kinder stammen und was für ein Päckchen sie mitbringen können. Häufig wurden sie körperlich und/oder psychisch misshandelt oder vernachlässigt (Kindeswohlgefährdung). Bis die Kinder vom Jugendamt aus der Herkunftsfamilie genommen werden (Inobhutnahme), haben sie schon viel erlebt.

Zusammenarbeit mit dem Jugendamt

Zur Prüfung durch das Jugendamt gehört auch, dass man seine finanziellen Verhältnisse offenlegt. Denn Pflegekinder sollen nicht aus einer finanziellen Notlage heraus aufgenommen werden. Außerdem wurde ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis angefordert, während unsere Hausärztin die gesundheitliche Eignung bestätigte. Pflegeeltern müssen keine pädagogische Ausbildung haben – sie müssen einfach nur bereit sein, einem Pflegekind ein Zuhause zu geben. Auch meinen Beruf konnte ich behalten (Berufstätigkeit trotz Pflegekind). Am Ende ging es um unsere das Kind betreffende Vorstellungen und Werte, damit für jedes Pflegekind die passende Pflegefamilie gefunden werden kann. Wir wollten kein Kind ausschließen. Also machten wir in puncto Geschlecht (Mädchen oder Junge), Alter (0 bis etwa 10/12 Jahre), Herkunft etc. keinerlei Einschränkungen. Das kann man aber jederzeit ändern.

Auf diese Fragen sollten werdende Pflegeeltern vorbereitet sein

Wer den Wunsch hat, ein Pflegekind aufzunehmen, erhält einen Fragebogen vom Pflegekinderdienst. Es ist hilfreich, vorab Antworten auf die gängigsten Fragen zu finden. Die Fragen reichen von „Wie ist Ihr Wunsch entstanden, ein Kind aufzunehmen?“ über „Was bedeutet für Sie Erziehung und was sollte diese Ihrer Ansicht nach beinhalten?“ bis hin zu „Wie würden Sie sich verhalten, wenn Ihr Kind beispielsweise während der Pubertät unbedingt seine leiblichen Eltern und Geschwister kennenlernen möchte?“. Hier finden Sie ein „Beispiel eines Fragebogens“ von pflegeeltern.de.

Austausch mit anderen (Pflege-)Eltern

Bevor das erste Pflegekind kommt, absolvieren Pflegeeltern einen Vorbereitungskurs, in unserem Fall ein Wochenendseminar. Am letzten Seminartag berichtete eine Pflegemama von ihren langjährigen Erfahrungen. Dieser persönliche Einblick war sehr hilfreich. Er hat uns in unserem Wunsch bestärkt, Pflegeeltern zu werden. Aber auch beim monatlichen Pflegeeltern-Treffen begegnet man anderen Pflegeeltern. Der Austausch ist wichtig, ich profitiere sehr von deren Erfahrungen. Darüber hinaus werden Supervision und Fortbildungen zu den verschiedensten Themen angeboten. Selbst Eltern-Kind-Treffen, die nicht auf Pflegefamilien ausgerichtet sind, sind hilfreich.

Mit dieser vielfältigen Unterstützung und dem regelmäßigen Austausch mit der persönlichen Ansprechperson vom Jungendamt konnten wir auch schwierige Situationen bewältigen. Schließlich bringen die Pflegekinder einen Rucksack teils gefüllt mit allerhand problematischen Erfahrungen mit. Trotzdem sollte der Fokus weniger auf dem liegen, was die Kinder falsch machen oder (noch) nicht können, sondern viel mehr auf dem, was die Kinder toll machen. Hin und wieder macht die Sachbearbeiterin auch Hausbesuche. Zum Beispiel wenn ein Pflegekind frisch angekommen ist, um sich ein Bild von der Situation und Hilfsangebote zu machen. Dank der Unterstützung meiner Sachbearbeiterin, beispielsweise wenn uns ein Pflegekind wieder verlässt, fühle ich mich rundum gut betreut.

Cover des Kinofilms „Plötzlich Familie“ (Quelle https://paramount-media.de/image/get/id/710/q/85/w/367/h/0/name/cover.jpg)

Filmtipp:Plötzlich Familie“ (2018)
Ein Paar entscheidet sich für ein Pflegekind und plötzlich steht das Leben Kopf. Absolut sehenswert!

Pflegeeltern werden – learning by doing

Wir haben viele Dokumentationen auf Youtube zum Thema Pflegekind/Pflegeeltern angeschaut und wurden bestmöglich vom Jugendamt vorbereitet. Trotzdem waren wir uns unsicher, ob wir der Aufgabe gewachsen sind, ein Kind mit möglicherweise traumatischen Erfahrungen zu betreuen – aber der Wille war da. Wir entschieden uns für die sogenannte Bereitschaftspflege, also dafür, Eltern auf Zeit zu sein. Das heißt, Kinder in Notfällen kurzfristig – von wenigen Tagen bis maximal 3 Monaten – bei uns aufzunehmen (im Gegensatz zur Dauerpflege). So würden wir sehr schnell merken, ob wir uns als Pflegeeltern eignen. Als erstes wurde ein Zimmer unserer Wohnung zum Kinderzimmer erklärt.

Grundausstattung Kinderzimmer

Zunächst richteten wir das Kinderzimmer mit 2 Betten ein: ein Babybett und ein Bett für ältere Kinder. Der Schreibtisch kann zum Wickeltisch umfunktioniert werden. Dazu noch ein Kleiderschrank, gefüllt mit neutraler Kleidung in jeder Größe, sodass jedes Kind – egal ob Junge oder Mädchen – eingekleidet werden kann. Da die Kinder gerade bei der Bereitschaftspflege in der Regel spontan kommen, haben sie meist nichts dabei außer der Kleidung, die sie am Körper tragen. Windeln in allen Größen, Zahnbürsten, ein Töpfchen, einen Hocker fürs Badezimmer etc. besorgten wir auch. Dazu noch etwas Spielzeug wie eine Holzeisenbahn, Autos und Kuscheltiere sowie ein paar Bücher (wie Malbücher, Bilderbücher, Lese-Lern-Bücher). Wer sich von Anfang an für ein Geschlecht oder bestimmtes Alter des Pflegekindes entscheidet, benötigt natürlich wesentlich weniger Dinge. Die Checkliste „Erstausstattung für Pflegekinder“ kann kostenlos heruntergeladen werden.

Es geht nicht darum, komplett ausgestattet zu sein, sondern im Notfall das Wichtigste zur Verfügung zu haben. Die Kosten werden größtenteils vom Jugendamt übernommen. Einfach alle Rechnungsbelege aufbewahren und dann fallbezogen abrechnen. In unserer Straße gibt es einen Secondhandladen, den ich regelmäßig aufsuche. Egal, ob Handschuhe, Jacken oder Hosen – auch auf Flohmärkten wurde ich schon oft fündig. Außerdem helfen befreundete Familien oder die Nachbarschaft gern mit allerhand Utensilien aus, sodass es an nichts mangelt. Und so wächst mein Fundus mit jedem Pflegekind.

Jetzt die Checkliste „Erstausstattung für Pflegekinder“ kostenlos downloaden

Aufwandsentschädigung für Pflegeeltern

Wer sich um ein Pflegekind kümmert, bekommt Pflegegeld (steuerfrei). Darin enthalten: eine Aufwandsentschädigung („Kosten für Pflege und Erziehung“). Außerdem erhalten Pflegeeltern einen Zuschuss für die Altersvorsorge und Unfallversicherung. Darüber hinaus werden nahezu alle Kosten gedeckt wie Kindergartenplatz, Babysitting, Monatsfahrkarte, Sport- und Musikverein sowie Kleidung und Ausstattung („Kosten für den Sachaufwand“) – im Gegensatz zu leiblichen Kindern. Laut Statistischem Bundesamt kosten Kinder 500-700 Euro im Monat (je nach Alter des Kindes) und insgesamt rund 130.000 Euro bis sie 18 Jahre alt sind.

Filmausschnitt „Alltag in einer Pflegefamilie“ (Quelle https://www.youtube.com/watch?v=uwRpIGi1CA8)

Filmtipp:Alltag in einer Pflegefamilie“ (2014)

Pflegeeltern werden: im Notfall da sein

Wenige Wochen nach dem Abschlussgespräch mit dem Jugendamt kam auch schon das erste Kind. Innerhalb eines halben Jahres lebten bereits 5 Pflegekinder bei uns. Der Bedarf an Pflegefamilien ist wirklich sehr groß. Und so läuft es in der Bereitschaftspflege meist ab (im Gegensatz zur Dauerpflege): Das Telefon klingelt und wenige Stunden später kommt das Pflegekind. Mehr dazu hier: Bei Anruf Kind.

Leseempfehlung:Zum ersten Mal (Pflege)Eltern – Informationen und Tipps!“
In der Broschüre geht es unter anderem um folgende Themen: Grundausstattung, Größentabellen, Gefahren vermeiden, U-Untersuchungen beim Kinderarzt, Versicherungen, Pflege- und Erziehungsgeld, Hilfeplangespräch, Checkliste „Was sollten neue Pflegeeltern beachten?“. Eine wundervolle Zusammenfassung für werdende Pflegeeltern. Empfehlenswerte Literatur stelle ich hier vor.