Wenn ein Kind plötzlich bei Pflegeeltern lebt

Wie gut sich ein Pflegekind in die Pflegefamilie integriert, hängt von vielen Faktoren ab. Entscheidend dabei ist auch, wie das Verhältnis der Pflegeeltern zu den leiblichen Eltern ist.

„Meine Mama hat Probleme“

„Wie gehen Kinder damit um, plötzlich bei einer Pflegefamilie leben zu müssen? Das muss schrecklich für sie sein – weinen sie viel?“, werde ich oft gefragt. Kinder leben in der Gegenwart. Sie verstehen schnell und haben für alles eine für sie passende und stimmige Erklärung. Zahlreiche Bücher helfen dabei, das Ankommen in der Pflegefamilie zu unterstützen. Während wir Erwachsenen denken, dass es furchtbar für ein Kind sein muss, von jetzt auf gleich zu wildfremden Personen zu kommen, gehen die Pflegekinder meiner Erfahrung nach gut damit um: „Meine Mama hat Probleme, daher wohne ich jetzt bei meiner Pflegefamilie, bis es ihr besser geht.“ So einfach ist das. Und davon könnte ich mir ruhig eine Scheibe abschneiden. Denn wenn kurz nach dem Anruf das Pflegekind vor der Tür steht, heißt es: Zimmer herrichten, Essen vorbereiten und hoffen, dass die ersten Tage und Nächte gut überstanden werden. Gut, dass wir Unterstützung vom Jugendamt erhalten.

Neue Rituale annehmen

Die Kinder schauen sich den Tagesablauf samt aller Rituale an und fügen sich ein – als wäre es nie anders gewesen. Natürlich sagen beziehungsweise zeigen sie, was sie mögen und was sie nicht mögen, aber zunächst einmal sind sie offen und neugierig. Die Bezugsperson muss einfach nur aufmerksam sein und wissen, was sie tut. Das Kind gut kennenzulernen und auf seine Bedürfnisse einzugehen – das ist schon die halbe Miete. Es ist aber auch wichtig, auf sein Bauchgefühl zu hören.

Urlaub mögen alle

Wir sagen den Pflegekindern, dass sie bei uns Urlaub machen. Dieses Bild gefällt uns sehr gut. Urlaub ist zeitlich begrenzt (wie die Bereitschaftspflege) und positiv besetzt – wir genießen die Zeit miteinander und unternehmen recht viel. Damit kommen die Pflegekinder sehr gut zurecht. Das ist natürlich anders, wenn ein Pflegekind dauerhaft aufgenommen wird. Außerdem telefonieren oder treffen sich die Kinder teils regelmäßig mit ihren Eltern, sodass die Mutter oder der Vater präsent bleiben. Bepackt mit einem Fotoalbum voller Erlebnisse geht die Reise am Ende weiter.

Zusammenarbeit: leibliche Eltern – Pflegeeltern

Pflegeeltern müssen bereit sein, neben dem Jugendamt auch mit der Herkunftsfamilie zusammenzuarbeiten. Im Idealfall sollten sich die Pflegeeltern gut mit den leiblichen Eltern verstehen. Das hilft vor allem den Pflegekindern enorm – und um die geht es ja schließlich. „Hast du meine Mama lieb?“ „Ja, ich mag deine Mama – und deinen Papa.“ In der Regel lieben Kinder ihre Eltern – selbst wenn die Eltern ihnen etwas Schreckliches angetan haben. Ein Loyalitätskonflikt sollte unbedingt vermieden werden. Es ist wie bei Eltern, die sich scheiden lassen: Auch wenn es Unstimmigkeiten gibt, vor den Kindern hat das nichts verloren!

Die Perspektive der Mutter einnehmen

Teilweise kommt es vor, dass die leibliche Mutter „eifersüchtig“ auf die Pflegemama ist, wenn sie sieht, wie gut es ihr Kind in der Pflegefamilie hat. Oder wenn die Pflegemama plötzlich Mama genannt wird. Dann kann es sein, dass selbst kleinste Kleinigkeiten, wie ein Fleck auf der Hose, zum Anlass genommen werden, die Pflegeeltern zu kritisieren. Das sollte man nicht persönlich nehmen! Nur wenige leibliche Eltern schaffen es, den Verdienst der Pflegeeltern anzuerkennen. Über Sätze wie „Ich bin froh, dass Sie die Pflegemama waren – ich war mir sicher, dass es meinem Kind gut bei Ihnen geht“ freue ich mich daher umso mehr.

Miteinander statt gegeneinander

Im besten Fall unterstützen die Pflegeeltern die leiblichen Eltern, wenn es darum geht, besser mit den Kindern umzugehen. Viele Eltern sind dankbar, wenn sie durch eine kleine Verhaltensänderung bestimmte Konflikte, die sie mit den Kindern haben, fortan vermeiden können. Was letztlich auch den Kindern zugutekommt. Für die Entwicklung des Kindes ist es außerdem wichtig, wenn die Pflegeeltern auch nach dem Ende der Pflegedauer in Kontakt bleiben, damit das Pflegekind die Bindungsperson nicht verliert.

„Die beste Erziehungsmethode für ein Kind ist, ihm eine gute Mutter zu verschaffen.“ (Christian Morgenstern)